[STARTSEITE] [VORGESCHICHTE] [2. DIE JUGENDBEWEGUNG VOR DEM 1. WELTKRIEG] 
[3.JUGEND IM UND NACH DEM ERSTEN WELTKRKEG] [4. DIE BÜNDISCHE ZEIT]
 [ANHÄNGE]
[2.1 Wandervogel] [2.2 Pfadfinder] [2.3 evangelische Jugend] 
[2.4 katholische Jugend] [2.5 Arbeiterjugendbwegung] 
[2.6 sonstige Gruppen]
Geschichte der deutschen Jugendbewegung
ein kurzer Überblick von Tom

2. DIE JUGENDBEWEGUNG VOR DEM 1. WELTKRIEG

2.1 Der Wandervogel

Im Jahr 1896 gründeten Schüler der höheren Schulen in Steglitz (bei Berlin) unter Führung des Studenten Hermann Hoffmann (-Fölkersamb) den Wandervogel. Anfänglich bestand die Hauptbeschäftigung nur im Wandern und dem Leben in der Natur. Später wird auch ein höheres Gewicht auf geistig-kulturelle Betätigung gelegt. So beginnen bald auch regelmäßige Gesangsübungen auf "Veits Wiesen". Auf den Fahrten über Wochenenden und im Sommer auf mehrwöchigen Fahrten durch Deutschland und ganz Europa versuchte man der bürgerlichen Welt zu entfliehen. Man wollte auch nicht als "werdende Erwachsene" behandelt werden, vielmehr ging es den Wandervögeln darum sich eine eigene Lebensweise und in Gedanken ein eigenes Jugendreich zu schaffen. Einige Punkte dieser Lebensweise waren der Verzicht auf Alkohol und Tabak, die Sparsamkeit, Kameradschaft, Vaterlandsliebe und das "auf Fahrt gehen". Man bevorzugte bestimmte Schriftsteller wie Walter Flex, Hermann Löns, Robert Hohlbaum, Eberhardt König. In der darstellenden Kunst wurden die alten Volksschwänke und Myterienspiele wiederbelebt. In der Musik sah man im Volkslied den "musischen Ausdruck der Wandervogelideale". Es erschienen immer wieder neue Liederbücher und Liederblätter, wie z.B.: "Der Zupfgeigenhansl" (Breuer 1908), "Des Wandervogels Liederbuch" (Fischer 1905) oder das "Wandervogel-Lautenbuch" (Kurella 1913). 

Die äußeren Formen, die der Wandervogel schuf, sind gemeinsames Gut der wandernden deutschen Jugend geworden. Insbesondere die Wandertracht (Kluft), die Technik der Fahrtenvorbereitung und des Abkochens, die große Fahrt mit wenig Geld, die Heim- oder Gruppenabende mit Liedsingen, Volkstänzen und Lesestunden, die Sonnenwendfeiern. 

Der Wandervogel war politisch und konfessionell neutral. Er lebte nicht in der Vergangenheit und auch nicht für die Zukunft. Somit war seine Flucht aus der Welt der Erwachsenen eine Flucht ins scheinbar Ziellose. In /1/ heißt es Unsere Stärke ist tatsächlich unsere "Programmlosigkeit", die Beschränkung auf das eine Wollen, die jungen Menschen für alle Lebensfragen und ihre späteren Aufgaben biegsam und frisch und frei von Vorurteilen und Einseitigkeit zu erhalten, vorerst nur ihrem Charakter, der Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu dienen. Die Freiheit von den Vorurteilen der Klassengesellschaft machten den Wandervogel offen für die Jugend aller Schichten. Da die Arbeiterjugend jedoch oft schon früh die Schule verließ, um zu arbeiten und daher keine Zeit für lange Fahrten und Gruppenabende hatte und der Adel auch wegblieb, rekrutierte sich der Wandervogel in seiner breiten Masse aus dem mittlerem Bürgertum. 

 Kurzer Abriß der Wandervogelgeschichte 

1890  1. Wanderung von Hermann Hoffmann (-Fölkersamb) mit zwei
      Kameraden in den Harz
1896  Beginn der Schülerwanderungen unter Leitung Hoffmanns in
      die  nähere Umgebung,  erste Gruppenabende bei  Hoffmann
      und Singeübungen auf "Veits Wiesen"
1897  Karl Fischer schließt sich den Wanderungen an
1898  Hermann Hoffmann veröffentlicht seinen Aufsatz "Hoch das
      Wandern" (in der Zeitschrift 'Schülerwarte', 8. Jahrgang 1898)
      im Sommer vierwöchige Großfahrt bis nach Köln
1900  "Fichtelbergabrede"  Hoffmanns.  Im Februar  beginnt  er
      seine  Arbeit an der deutschen Botschaft  in  Konstantinopel
      und übergibt die Wandelvogelführung Karl Fischer
1901  am 4.11. wird der "Wandervogel, Ausschuß für Schüler-
      fahrten" (AfS) gegründet
1902  Einrichtung der "Scholarenliste" (nur für Schüler). Die
      Bewerber müssen sich auf den Oberbachanten verpflichten
1904  Erscheinen der "Illustrierten Monatsschrift Wandervogel"
      Fischer  legt  aufgrund innerer Spannungen wegen seinem
      Führungsstil sein Amt als Oberbachant nieder
      Juni:  Auflösung des "AfS" und Wiederbegründung des
      "Wandervogel"
      Juli: Karl Fischer sammelt die ihm treugebliebenen um
      sich und beginnt eigenständigen Fahrtenbetrieb
      September: Eintragung ins Vereinsregister unter "Wander-
      vogel, Eingetragener Verein zu Steglitz bei Berlin"
      (auch "Steglitzer Wandervogel" oder "E.V." im Sprachgebrauch)
      November: geistige Gründung des "Altwandervogels" (AWV)
      durch Fischer, der studienhalber nach Halle geht
1905  Enger Kontakt zum Posener Wandervogel und den "Magde-
      burger Wanderriegen"
1906  Gründung von E.V.-Gruppen in Bayern
1907  Führerschaft des AWV lehnt Aufnahme von Mädchen ab
1910  Wandervogeltreffen  auf der Sachsenburg, Gründung eines
      Auschusses zur Einigung des AWV mit dem "Wandervogel,dt.
      Bund f. Jugendwandern"
      Abspaltung des "Jungwandervogels" (JWV) aus dem AWV
1911  Gründung einer Mädchengruppe im E.V.
      Beitritt  des E.V.  zum "Verband deutscher Wandervögel"
      (VDWV)
1912  weitere Zusammenschlüsse
1913  Auflösung des VDWV und Übertritt in den "Wandervogel
      e.V., Bund für deutsches Jugendwandern"
      Übertritt von 2/3 des AWV in den WV e.V.
Der Freideutsche Jugendtag 1913 

Es galt 1913 im Deutschen Reich die Jahrhundertfeier der Völkerschlacht und den 25. Jahrestag des Regierungsantritts Kaiser Wilhelm II. zu begehen. Die bürgerliche Welt rüstete sich zu Aufmärschen, Kundgebungen und Reden. Jedoch die Jugendbewegung wollte sich dem mit ganzer und geeinter Kraft entgegenstellen. Deshalb trafen sich zu Pfingsten Vertreter von dreizehn Jugendbünden um den Ort und den Zeitpunkt ihrer Feier festzulegen und alle Gleichgesinnten einzuladen. Christian Schneehagen aus der deutschen Freischar schlug den Hohen Meißner bei Kassel vor, als Termin wurde der 10. bis 12. Oktober gewählt. (siehe auch Anhang 2). 

Ziel war es, die deutsche Jugendbewegung, über all ihre Unterschiede hinweg, nach innen und außen hin zu einigen. Im Verlaufe des Jugendtages wurde von allen beteiligten Bünden eine Formel, die sogenannte Meißnerformel, erarbeitet, die Ausdruck der neuen, angestrebten Lebensform sein sollte. Sie lautet: 

Die Freideutsche Jugend will nach eigener Bestimmung vor eigener Verantwortung in innerer Wahrhaftigkeit ihr Leben gestalten. Für diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen geschlossen ein. Alle Veranstaltungen der Freideutschen Jugend sind alkohol- und nikotinfrei. 

Die offiziellen Teilnehmerbünde am Meißnerlager 1913 waren: 
Jungwandervogel 
Österreichischer Wandervogel 
Deutsche Akademische Freischar 
Bund abstinenter Studenten 
Vortruppbund 
Bund Deutscher Wanderer 
Germania, Bund abstinenter Schüler 
Freie Schulgemeinschaft Wickersdorf 
Bund für freie Schulgemeinden 
Landschulheim am Solling 
Akademische Vereinigung Marburg und Jena 
Serakreis-Jena 
Burschenschaft Vandalia aus Jena 

Doch auch in den akademischen Verbänden stellten die Wandervögel einen erheblichen Teil dar, wie überhaupt der Wandervogel mir seiner Art und Weise - dem Zelten, Singen, Tanzen und nächtlichen Feuern - dem Fest seine äußere Prägung gab. 

2.2 Die Pfadfinder 

Im Gegensatz zum Wandervogel ist die Pfadfinderbewegung keine aus der Jugend selbst hervorgegangene Bewegung. Sie hat ihren Ursprung in der englischen Pfadfinderei ("Boy-Scouts") und ist eine von Erwachsenen erdachte Form zur Erziehung von jungen Menschen. Sie wurde 1908 vom Generalinspekteur der englischen Kavallerie Robert Stephenson Smith Baden-Powell gegründet und hatte das Ziel, die Jugend zur Liebe zum Vaterland und der Nation, zum Gehorsam und zur Wehrhaftigkeit zu erziehen. Durch das Buch Baden-Powells "Scouting for Boys" (dt. "Pfadfinder") hat sich die Pfadfinderei recht schnell über die ganze Welt verbreitet. Noch im Erscheinungsjahr bildeten sich vorrangig in den englischen Kolonien (zuerst in Chile) erste Pfadfindergruppen,1909 dann u.a. auch in Rußland (siehe Anhang 2) und in Deutschland, nachdem Dr. Alexander Lion im Herbst seine Übersetzung des Buches unter dem Titel "Jungdeutschlands Pfadfinderbuch" veröffentlichte. 1911 wurde in Deutschland der "Deutsche Pfadfinderbund" gegründet. Erster Reichsfeldmeister wurde Maximilian Bayer, die Bundeszeitschrift hieß "Pfadfinder". Durch ihre dem jugendlichen Verständnis und Wesen zugängliche Lebensnähe nahm die Pfadfinderei rasch einen stürmischen Aufschwung. Von anderen Jugendverbänden wurde sie jedoch wegen ihren militärischen und nationalen Inhalten zunächst überwiegend kritisch betrachtet. 

Zeittafel 

1908  Veröffentlichung Baden-Powells "Scouting for
      Boys" in England, erste Pfadfindergruppen entstehen
1909  Sommer: Dr. Lion übersetzt das "Scouting for
      Boys", dt. Titel "Jungdeutschlands Pfadfinderbuch" 
      erschienen im Gmelin-Verlag, München
      Herbst: Gründung des ersten Pfadfinderzuges in München
1911  Gründung des "Deutschen Pfadfinderbundes"
      Gründung des "Jungdeutschlandbundes" als
      Dachorganisation für alle nationalen Jugendbünde, der 
      "Deutsche Pfadfinderbund" schließt sich korporativ an
1912  Gründung des "Bundes Deutscher Pfadfinderinnen"
1913  Jahrhundertfeier des Bayrischen Wehrkraftvereins mit
      4000 Teilnehmern 
      Veröffentlichung Dr. Lions "Die deutsche Pfadfinder-
      und Wehrkraftbewegung und ihre Ursachen" 

2.3 Evangelische Jugendbewegung

Bis zum Ende des ersten Weltkrieges gab es fast keine eigenstädige Jugendbewegung der evangelischen Kirche. Die evangelischen Jugendverbände wie das "Evangelische Jungmännerwerk" oder die "Bibelkreise" waren in der traditionellen Form der Jugendpflege eher als missionarische Bewegungen ("Deutschlands Jugend für Jesus") zu sehen. Als kurz nach der Gründung des Jungdeutschlandbundes eine "Christliche Pfadfinderschaft" entstand, änderte sich diese Tatsache dadurch auch nicht. Erst nach Kontakten mit Wandervogelgruppen, kam bei den jüngeren Mitgliedern der evangelischen Jugendverbände allmählich der Wunsch nach Mitbestimmung bei der Gestaltung und Neuregelung des Gruppenlebens auf. 

Zeittafel 

1883  Gründung des ersten "Bibelkränzchens" am Gymnasium
      in Elberfeld 
1886  Gründung eines Komitees (später: Zentralkomitee) für
      Bibelkränzchen 
1909  Gründung des "Bundes Deutscher Jugendvereine" in Halle
      an der Saale (liberal; Mitbegründer: Pastor Clemens Schulz)
1915  Umbenennung von "Bibelkränzchen" in "Bibelkreis"

2.4 Katholische Jugendbewegung

Die katholische Jugend fand über die katholischen Abstinenzverbände ihren Weg in die deutsche Jugendbewegung. Ihre Mitglieder waren aufgrund ihres Verständnisses für asketische Lebensformen und ihrer Ablehnung gegenüber der um die Jahrhundertwende entstandenen alkoholischen Entartung der bürgerlichen Geselligkeit auch geneigt, ihre Kinder zum einfachen Leben zu erziehen. So bildeten sie in ihren Vereinen Kinder- und Jugendgruppen, wie den "Johannesbund" und den "Schutzengelbund". Um 1910 wurden dann auch engere Kontakte zum Wandervogel und zum "Vortrupp" geknüpft, von denen man einige Formen und Bräuche in das eigene Gruppenleben übernahm. Dies führte im Endeffekt zur Gründung des "Quickborn". Der Quickborn - das Wort bedeutet soviel wie Brunnen, Sprudelquell- sollte der katholischen Jugend als Ausgleich gegen die Schule dienen, wo strenge Paragraphen und ein Unteroffizierston herrschten, der das Selbstgefühl, inneres Reifwerden und die Bildung von Jugendgemeinschaften hemmte. Außerdem sollte er der Verbreitung von Geheimclubs mit Trinkgelagen, sexuellen Ausschweifungen etc. unter den Gymnasiasten entgegenwirken. Auf der Grundlage der Alkoholenthaltung sollte sich die Jugend im Wandern, Spielen, Singen und in Zusammenkünften sich selbst ein erfülltes und frohes Jugendleben gestalten. Es gab im Quickborn auch Mädchengruppen, die etwa genauso groß wie die Jungengruppen waren, aber es bestand eine sehr strenge Trennung. In den Leitsätzen der Bewegung wird dazu gesagt: "Es ergibt sich für den Quickborn als katholische Jugendbewegung die Forderung, daß die Gruppen der Jüngeren getrennt sind, getrennt wandern und arbeiten. Gemeinsame Feste in Gegenwart Erwachsener sind zulässig." 

Zeittafel 

1909  Gründung einer abstinenten Gymnasiastengruppe in Neiße,
      die sich "Quickborn" nennt
1910  Entstehung weiterer abstinenter Schülergruppen an 
      höheren Lehranstalten
1913  April: erste Ausgabe der Zeitschrift 'Quickborn"
      Bildung von Quickborn Mädchengruppen
      Oktober: Vertreter der katholischen Abstinenzverbände 
      nehmen am Freideutschen Jugendtag teil

2.5 Arbeiterjugendbwegung

Kurz nach der Jahrhundertwende bildete sich in Deutschland aus Jugendabteilungen der Arbeiterbildungsvereine die sozialistische Arbeiterjugendbewegung. Die einzelnen Ortsgruppen schlossen sich 1906 zum "Verband junger Arbeiter Deutschlands" zusammen. Ab April gab er eine Jugendzeitschrift "Die junge Garde" heraus. Auf Presseveröffentlichungen über die Gründung hin, entstanden zahlreiche neue Ortsgruppen. Bereits Ende 1906 hatte der Verband über 3000 Mitglieder. Als Ziele des Vereins waren angegeben: die Bildung von Lehrlingsschutzkommissionen, Förderung alkoholgegnerischer Betrebungen und die sportliche Betätigung. In Wirklichkeit war die süddeutsche Bewegung eindeutig politisch und sozialistisch. Das lag in erster Linie daran, daß die Vereinsgesetze der süddeutschen Staaten freiheitlicher als das preußische Gegenstück waren. So war es Schülern und Lehrlingen durchaus erlaubt, politisch aktiv zu werden. Leitgedanke der umfangreichen Bildungsarbeit im Verband war der Sozialismus. Die "Junge Garde" vertrat von ihrer ersten Nummer an eine antimilitaristische Haltung - einer ihrer Mitarbeiter war Karl Liebknecht. Geführt wurde die süddeutsche Bewegung von den Rechtsanwalt Dr. Ludwig Frank (Stadtverordneter von Mannheim, Landtagsabgeordneter, später Mitglied des Reichstages). Am 1. Oktober 1904 war es von der oben genannten Entwicklung unabhängig in Berlin zur Gründung eines "Vereins der Lehrlinge und Jugendlichen Berlins und Umgebung" gekommen. Die Ziele dieses Vereins waren laut Satzung die wirtschaftliche, geistige und rechtliche Förderung der Mitglieder. Politische und religiöse Ziele waren ausdrücklich ausgeschlossen. Zunächst hatte man sich darauf beschränkt, seine Mitgliedern in wirtschaftlichen und beruflichen Nöten Schutz und Hilfe zu gewähren. Außerdem kümmerte man sich um eine öffentliche Berichterstattung über die Mißstände im Lehrlingswesen und man richtete Beschwerdestellen ein. Diese wachten über die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen. Verstöße wurden den Behörden gemeldet, bei Streitigkeiten gewährte man den Mitgliedern Rechtsschutz. Daneben kümmerte sich der Verein um Vorträge, Diskussionsabende und Lehrveranstaltungen, um das geistige Niveau der jungen Arbeiter zu heben. Ab 1905 gab der Verein für seine bereits 500 Mitglieder eine eigene Monatsschrift "Die arbeitende Jugend" heraus. Die norddeutschen Arbeiterjugendvereine schlossen sich Ende 1906 zur "Vereinigung der freien Jugendorganisationen Deutschlands" zusammen, dabei blieb Berlin mit fast 2000 Mitgliedern der stärkste Verein. 

Als am 19.04.1908 vom Reichstag ein neues Reichsvereinsgesetz angenommen und verkündet wurde, mußten sich die beiden Vereine auflösen, denn die Paragraphen 17 und 18 sagten aus: 

Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dürfen nicht Mitglieder von politischen Vereinen sein und weder in den Versammlungen solcher Vereine, sofern es sich nicht um Veranstaltungen zu geselligen Zwecken handelt, noch in öffentlichen politischen Versammlungen anwesend sein. 

Mit Geldstrafe bis zu 150.-M, an deren Stelle im Unvermögensfalle Haft tritt, wird bestraft Wer als Vorstand oder als Mitglied des Vorstandes eines Vereines entgegen den Vorschriften des §17 dieses Gesetzes in einer Versammlung anwesend ist. 

Damit war das Reichsvereinsgestz ein Ausnahmegesetz gegen die arbeitende Jugend. Da man die politischen Betätigung der bürgerlichen Jugend als national ansah, fiel sie nicht mit unter das Gesetz. Daher kommt die Bezeichnung "Sozialistengesetz gegen die Jugend". 

Auf dem Nürnberger Parteitag beschließt die SPD im September 1908, eine "Zentralstelle für die arbeitende Jugend Deutschlands" einzurichten. Ihr offizielles Organ wird die "Arbeiterjugend". Das Sekretariat übernahm Friedrich Ebert. Die Arbeit in den folgenden Jahren vollzog sich in der Form der reinen Jugendpflege. Das zahlenmäßige Wachstum ging jedoch weiter. Waren es 1909 noch 20000 Abonnenten der "Arbeiterjugend" und etwa 300 Ausschüsse bei der Zentralstelle, so beliefen sich die Zahlen 1913 auf etwas über 100 000 Abonnenten und 655 Ausschüsse Im Februar 1914 wurde auf Antrag der sozialdemokratischen Fraktion im Reichstag der §17 beseitigt, die Verfolgung hörte aber nicht auf. 

Zeittafel 

1903  Grüdung der ersten sozialistischen Jugendgruppe in Offen-
      bach durch den Sozialdemokraten Dannenberg
1904  September: Dr. Ludwig Frank gründet in Mannheim einen
      "Verein junger Arbeiter"
      1.10.: Gründung des "Vereins der Lehrlinge und
      jugend1ichen Arbeiter Ber1ins und Umgebung"
1905  Januar: Herausgabe der Zeitschrift "Die arbeitende Jugend"
l906   16 Ortsgruppen schließen sich im Süden zum "Verband
      junger Arbeiter Deutschlands" zusammen. Vorsitzender: Dr.
      Frank; Monatsschrift: "Die junge Garde" 
      Dezember: norddeutsche Jugendvereine bilden die
      "Vereingung der Freien Jugendorganisationen Deutschlands"
1908  Die norddeutsche Bewegung umfaßt 328 Vereine mit 3800
      Mitgliedern, der süddeutsche Verband 85 Ortsgruppen mit
      4500 Mitgliedern
      19.04.: Verkündigung des Reichsvereinsgesetzes
      Mai: Auf1ösung der beiden Vereine. Norddeutsche Vereine
      wandeln sich in Jugendausschüsse der SPD bzw. der 
      Gewerkschaften um
      September. Einrichtung der "Zentralstelle für die
      arbeitende Jugend Deutschlands". Zeitschrift: "Arbeiter-
      jugend"
 

2.6 Sonstige Gruppen

Abgesehen von den schon genannten Gruppierungen der Jugendbewegung existierten noch zahlreiche andere Jugendorganisationen, die entweder nur in der Jugendpflege durch Erwachsene oder als Nachwuchsorganisationen der politischen Parteien arbeiteten oder als Zweck- oder Altersverbände nicht aus der Jugend hervorgingen/keine jugendbewegten Ziele verfolgten. Hierher gehören auch das "Evange1ische Jungmännerwerk" und der "Christdeutsche Jugendbund", die über den Rahmen des Hilfswerkes der evangelischen Kirche und der Christlich-Sozialen Partei Stöckers nie hinausgingen. Zu den Altersverbänden seien hier stellvertretend nur die studentischen Abstinenzlergruppen, bei den Zweckverbänden der "Vortrupp " genannt. 
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